Die Welt von Aventurien ist vielseitig und hat viele spannende Facetten. Die Regeln von DSA dagegen sind vielen Spielerinnen, die lieber Geschichten erleben wollen als Trefferpunkte zählen, ein Graus, oder zumindest oft ein Hindernis bei der Immersion.
Daher habe ich mich an ein Experiment gewagt: Kann man in Aventurien mit einfacheren Regeln spielen und trotzdem den Geist der Welt einfangen?
Als Fan von FU, dem “Freeform Universal”-System von Nathan Russell, fiel meine Wahl für das Spielsystem leicht: FU soll es sein.
- Kurzanriss: Wie geht FU?
- Aber DSA hat lauter Zahlen auf dem Heldenbogen! Wohin damit?
- Aber bei DSA kann man hochleveln! Und das ist doch trotzdem irgendwie ganz nett…
- Menschliche Wundärztin Mandra
- Was ist mit Lebenspunkten? Bei DSA ist nicht jeder Held gleich zäh!
Kurzanriss: Wie geht FU?
Zuerstmal eine kurze Erläuterung von FU, da unsere Übersetzung desselben nun doch noch ein paar Tage länger dauert - das Layout der PDF-Ausgabe mit LaTeX erweist sich als etwas zäh (hier eine unfertige Vorabversion des PDFs, das aber trotzdem vollständig und recht lesbar ist).
Fähigkeiten
Bei FU gibt es keine Stats, oder überhaupt irgendwelche Zahlen auf den Figurenbögen. Jede Figur besteht aus vier “Beschreibern”, einzelnen Wörtern oder kurzen Satzfetzen, die besondere Eigenschaften, Stärken und Schwächen auflisten (z.B. “kann im Dunklen sehen”). Zusätzlich hat sie noch zwei Ausrüstungsgegenstände dabei.
Hier mal eine Beispielfigur aus meiner Rollenspielumsetzung des Familienbrettspiels “Maus & Mystik”, das ich mit meiner 10jährigen Nichte spiele. Alle Figuren sind Mäuse.
Beispielfigur: Finger, der liebenswerte, manchmal etwas feige Strolch
- Körper: Kann Schwanz zum Greifen benutzen
- Geist: Raffiniert
- Stärke: Flink
- Schwäche: Gierig
- Ausrüstung: Dolch, geräumiger Beutel mit Einbrecherwerkzeug
Jedes Mal wenn eine Spielerin etwas tun will, dessen Ausgang nicht klar ist - und es spannend wäre, den Ausgang nicht einfach zu entscheiden, sondern dem kontrollierten Zufall zu überlassen - wirft sie einen sechsseitigen Würfel. Fällt eine 1-3, schlägt die Handlung fehl (mit verschiedenen Graden, die immer die Geschichte vorantreiben). Bei einer 4-6 hat sie Erfolg. Bisher sind wir bei einer 50⁄50-Chance, dass eine beliebige Handlung klappt. Natürlich sind die Figuren aber in einigen Dingen besser oder schlechter als andere, und natürlich können auch die äußeren Umstände Dinge erschweren und erleichtern.
Modifikatoren - hilfreiche oder hinderliche Dinge geben Boni oder Strafen
Daher bekommt die Spielerin für jede ihrer vier Eigenschaften oder Stärken, die bei ihrer versuchten Handlung hilfreich sein könnten, einen Bonuswürfel, ebenso für Umstände der Umgebung, die ihr helfen, wie ein dichtes Gebüsch, hinter dem sie sich verstecken und überraschend angreifen kann. Gibt es Dinge, die die Handlung erschweren (z.B. einen muskelbepackten Orkanführer als Gegner), bekommt sie einen Strafwürfel. Alle Bonus- und Strafwürfel werden voneinander abgezogen - man wirft am Ende also nie eine Mischung von beidem, sondern nur den ersten Standardwürfel plus entweder 1 oder mehr Bonuswürfel oder Strafwürfel. Wirft man nur Bonuswürfel, nimmt man das beste gefallene Ergebnis (im Idealfall eine 6), bei nur Strafwürfeln muss man das schlechteste nehmen.
Aber DSA hat lauter Zahlen auf dem Heldenbogen! Wohin damit?
Anfangs habe ich verzweifelt versucht, all die scheinbar hunderten von Fähigkeiten irgendwie auf die vier von FU zu reduzieren. Da ich mit meinen Spielern ein Starterabenteuer mit vorgefertigten Figuren spielen will, habe ich eine davon dafür benutzt und bei jedem meiner Versuche kam eine andere Figur raus - wohlgemerkt für dieselbe Person!
Irgendwann war mir das zu blöd - FU hat doch gar keine “Proben” auf bestimmte festgelegte Fähigkeiten, die man aus Listen raussucht! Statt “Die Spur führt euch auf eine Lichtung. Alles ruhig und von den Orks, denen ihr folgt, ist auf den ersten Blick nichts zu sehen. Mach doch mal eine Fährtenlese-Probe!“ heißt es bei FU “Die Spur führt euch auf eine Lichtung. Alles ruhig und von den Orks, denen ihr folgt, ist auf den ersten Blick nichts zu sehen. Was machst du?“ Die Spieler sagen frei, was sie tun, und wenden dann, wenn es passt, Eigenschaften als Boni an. Warum also krampfhaft an diesen bestimmten DSA-Fähigkeiten festhalten? Also warf ich die Stats-Tabellen neben den Figuren beherzt weg und entschloss mich, den Spielern einfach nur die Hintergrundgeschichte und Beschreibung ihrer Figur zu geben. Was sie darin als besondere Eigenschaften erkennen, sollen sie dann selbst festlegen! Die Waffen und Ausrüstungsgegenstände kann man ja trotzdem übernehmen, besonders da diese spezifischen Gegenstände im Starterabenteuer recht nützlich sein können.
Aber bei DSA kann man hochleveln! Und das ist doch trotzdem irgendwie ganz nett…
Ja, obwohl meine Mitspieler alle innbrünstig versichern, sie wären hauptsächlich der Geschichte wegen dabei, gefällt es ihnen doch, Erfahrung hinzuzugewinnen und Fähigkeiten zu stärken oder neue zu lernen. FU hat sowas eigentlich nicht vorgesehen. Dort wachsen eher die Herausforderungen, mit denen die Helden konfrontiert werden. Nichtsdestotrotz hat der Autor von FU, Nathan Russell nun auch eingeschwenkt und in seinem Blog eine neue Version der vier Beschreiber publiziert, die etwas breiter gefächert sind und damit auch ein Aufleveln erlauben.
Statt der vier Beschreiber Körper, Geist, Stärke und Schwäche gibt es nun vier neue, “Markenzeichen” (trademarks) genannt, die jeweils 3-4 Unterbeschreiber (meta tags) haben, die anzeigen, in welchen Situationen man für den “Markenzeichen”-Überbeschreiber einen Bonuswürfel erhalten kann. Und diese Unterbeschreiber kann man nun auch “verbessern”, indem man die sogenannten FU-Punkte ausgibt (ich nenne sie, angelehnt an die bei DSA 5 eingeführten ähnlich funktionierenden Punkte “Schicksalspunkte”). Verbessert man einen Unterbeschreiber, wird er “freigeschaltet” und gibt ab dann einen zweiten Bonuswürfel. Man kann sogar neue Unterbeschreiber hinzuügen und so Neues dazulernen.
Die neuen Markenzeichen haben ein leicht verändertes Schema, es bleiben aber vier: es gibt nun “Hintergrund”, “Körperliche oder geistige Eigenschaft”, “Gruppenzugehörigkeit oder eine weitere Körper- oder Geist-Eigenschaft” und “besondere Fähigkeit oder Training”. Damit habe ich mal eine beispielhafte aventurische Heldin gebaut:
Menschliche Wundärztin Mandra
Basierend auf einer gegebenen Hintergrundgeschichte habe ich für Mandra folgende Markenzeichen erfunden:
- Hintergrund: Angesehene aufgeweckte Targuletherin [Mitgefühl], [Andere Aufheitern], [Hohes Ansehen im Dorf]
- Körper: Geschickte Finger [Zeichnen], [Dinge zusammensetzen], [toller Tastsinn]
- Geist: Gewitzt [Überredungskünstlerin], [Wissbegierig], [Schlagfertig]
- Training: Heilkunde [Wunden verbinden], [Tränke brauen], [stärkendes Essen kochen], [kennt Kräuter und Pflanzen]
Ausrüstung Dolch, Erste-Hilfe-Tasche mit Verbandszeug und Kräutern/Beeren/Moosen
Dazu hat sie noch passende Kleidung (die aber keine Boni bringt) und ein paar nützliche Dinge dabei - vielleicht ein paar Einbeeren und einen Heiltrank. Die geben auch keine Boni, erlauben es aber, Dinge zu tun, die man sonst nicht könnte (z.B. sofortige Heilung durch Heiltrank).
Für den Hinterund nehme ich eine Kombination aus Spezies (hier Mensch), Persönlichkeit und Herkunftsort. Ein Zwerg hätte hier vielleicht “trinkfest/Zechen”, “Dunkelsicht”, “Giftresistenz”. Die anderen Markenzeichen kann man noch etwas freier bestimmen. Ein Zwerg könnte z.B. beim Körper “Stark wie ein Bulle” haben, muss aber nicht.
Was ist mit Lebenspunkten? Bei DSA ist nicht jeder Held gleich zäh!
Stimmt, jede Heldin bei DSA hat ganz unterschiedliche Lebenspunkte, und bei FU gibt es sowas überhaupt nicht. Dort kann man nur “Zustände” ankreuzen, die einem auch das Leben schwer machen können (z.B. verletzt, dem Tode nah). Doch da kam mir meine Lektüre des FU-basierten neuen Earthdawn-Rollenspiels zugute: dort gibt es “Wundenslots” für Helden und Gegner. Nachdem alle Wundenslots gefüllt sind, ist die Figur ausser Gefecht oder sogar dem Tode nah.
Es gibt dann keine fest vorgegebenen Zustände wie beim Standard-FU, sondern freie Textfelder, in denen man einen Zustand (z.B. blutende Schnittwunde) eintragen kann, und wenn es tatsächlich eine Wunde ist und man nicht nur ein bisschen “verwirrt” oder “gefangen” ist, macht man ein Kreuz in ein daneben stehendes “Wundenkästchen”. Nun hat man eine seiner zulässigen Wunden erlitten und muss aufpassen, dass es nicht mehr werden, sonst ist man besiegt!
Bei genauer Betrachtung (und ohne eingehende Regellektüre) fällt auf, dass bei DSA Menschen und Halbelfen sehr ähnliche Werte zwischen 25 und 30 haben. Elfen haben allgemein weniger (bis zu 25 vielleicht) und Zwerge mehr (30-40).
Zuerst dachte ich, das müsste sich in der Anzahl der “ertragbaren” Wunden niederschlagen. Nun habe ich aber nach Diskussion mit DSA-Kennern entschieden, dass jede Heldenfigur immer 4 Wunden aushalten kann. Wer zäher oder zarter gebaut ist, kann bei Bedarf entsprechende Beschreiber bzw. Markenzeichen-Untertags eintragen. Ein Zwerg hat dann “robust”, eine Elfin vielleicht “schwächlich” - muss aber nicht, wenn die Spielerin das nicht so wichtig findet oder eben eine kräftigere Elfin oder nicht so kräftigen Zwerg spielen will.
Ob sich das erhöht, wenn die Figur aufsteigt, und ob das Aufsteigen in festen Stufen überhaupt relevant sein wird, darüber bin ich mir noch nicht ganz im Klaren.
Die Helden bekommen auch jeder 3 Schicksalspunkte zu Beginn der Spielesitzung, und durch gutes Rollenspiel und Handeln nach seinen Zielen etc. bekommt man mehr. Man kann sie zum Neuwürfeln oder für je einen Bonuswürfel einsetzen. Magiebegabte können sie auch durch Meditation in Astralpunkte umwandeln.
Magiebegabte bekommen ein paar weniger, damit die Magie nicht übermächtig wird und solche Figuren nicht zu dominant werden. Zu Astralpunkten und Magie komme ich beim nächsten Mal.
Mandras Lebens- und Schicksalspunkte
Mandra ist eine erfahrene Heldin und ein Mensch und kann nicht zaubern. Daher hat sie…
- 4 Wundenslots (kann also vier Verletzungen aushalten, bevor sie darnieder geht)
- 3 Schicksalspunkte zu Beginn der Sitzung
So, das war’s erstmal für die Grundlagen. Auch zu Magie, Astralpunkten und Zaubersprüchen habe ich mir etwas überlegt, das ich in einem weiteren Posting erzähle.
Dieses hier ist sowieso schon recht lang geworden. Kommentare, Anmerkungen? Habe ich etwas völlig falsch umgesetzt?